Baptiste Gaillard, Sam Graf, Esther Kempf, Valentina Pini, Miriam Sturzenegger und Collektiv U5
29. August – 21. September 2014
la rada, Locarno
Der Ausstellungstitel „The Chase“ bezieht sich auf das Thema der Jagd – vom Austausch des Menschen und seiner Umgebung. Der Austausch ist eng mit dem Konzept der Bricolage verbunden, nach den Ansätzen von Claude-Lévi-Strauss. In seinem Buch “La pensée sauvage“ definiert der französische Anthropologe, dass der Bricoleur Werkzeuge und Materialien benutzt, welche er um sich herum findet und versucht diese für verschiedene Zwecke anzupassen. Dies steht im Gegensatz zu einem Ingenieur, der die Produktion der Werkzeug- und Materialherstellung dem etablierten Projekt unterordnet. In diesem Sinn kann man behaupten, dass die Bricolage sehr eng im Zusammenhang mit den künstlerischen Techniken verbunden ist, welche grösstenteils im zwanzigsten Jahrhundert entwickelt wurden und auf vorgefunden Materialien basiert. Dazu zählen Beispielsweise Readymades von Marcel Duchamp, Situationistische Détournement, Aneignung, sowie Adhocism und andere Bewegungen der Postmoderne.
Für die Ausstellung „The Chase“ wurden die Künstler Baptiste Gaillard, Sam Graf, Esther Kempf, Valentina Pini, Miriam Sturzenegger und das Kollektiv U5 eingeladen, um sich während der Wochen vor der Ausstellungseröffnung auf die Jagd nach vorgefundenen Materialien zu machen. Aus diesen sollen neue Kunstwerke vor Ort entstehen. Dadurch, dass es vorher unmöglich ist zu wissen, welche Materialien gefunden werden, müssen die Künstler Strategien für die Produktion entwickeln, die mehr einen Charakter der Improvisation als Planung beinhalten. Der charakteristische Stil der eingeladenen Künstler wird beeinflusst von der Verfügbarkeit der Materialien und eröffnet somit eine Reihe von Fragen über die Beziehung zwischen der ursprünglichen Schöpfung und des Kontexts.
Die Nutzung der vorgefundenen Materialien beinhaltet in erster Linie zuerst ein notwendiges Auswahlverfahren. Die Auswahl für die Werke von Baptiste Gaillard sind Fragmente aus dem natürlichen Bereich, d.h. aus dem mineralischen, pflanzlichen und tierischen. Der Künstler untersucht die formalen Qualitäten des Materials, insbesondere auf Komplexität, Zerbrechlichkeit und den Fliehkräften, ebenso die Textur der organischen Substanz. Daraus schafft er in seinen Assemblagen neue Atmosphären voll von möglichen Erzählungen.
Charakteristisch für Installationen von Valentina Pini sind Inszenierungen von minimalen Eingriffen. An der Wand lehnen einige Leuchtstoffröhren, die mit Gips gefüllt sind. Diese Substanz mischte sie mit Wasser, was Veränderungen am Glas bewirkt.
Seit sieben Jahren praktiziert das Kollektiv U5 Werke im Sinne des „Maximalismus“. Dies besteht aus der Wiederbenützung von Objekten, die in Skulpturen, Installationen und transmedialen Arbeiten assemblieren. Die Eigenschaften dieser Werke bestehen aus Monumentalität, Wiederholung, Akkumulation und Farbintension. In Schwarzlicht getaucht, weisen die Objekte Dinge auf, die bei natürlichem Licht nicht erkennbar sind und referieren möglicherweise zu Science Fiction, Mythen und Massenmedienästhetik.
Miriam Sturzenegger setzt sich mit dem Ort und der Architektur des archäologischen Museums auseinander. Casorella und das angrenzende Schloss haben in verschiedenen Epochen unterschiedliche Funktionen eingenommen, von militärischer Verteidigung über Eingrenzung von adligem Privatbesitz und dienen heute als öffentliches archäologisches Museum und Räume für zeitgenössische Ausstellungen. Die an die Aussenmauern gehängten Objekte sind ehemalige PVC Böden, die sie in einem ehemaligen Schulgebäude von Locarno gefunden hat. Die herausgelösten Teile weisen Spuren auf, einerseits von einem funktionalen Kontext und andererseits von den Einflüssen der Umwelt. Symbolisch werden die Bodenbelege umgekehrt an einen anderen Ort verschoben – sie beinhalten eine Geste von Aufdecken, Abriss, Umkehrung und Freilegen. Dabei werfen sie Fragen auf, die sich mit den architektonischen Phasen und der Geschichte des Gebäudes beschäftigen.
Auch Esther Kempf bezieht sich auf die Auseinandersetzung mit Raum und Architektur. In Architekturplänen wird im Grundriss stets die Türe als ein Viertel eines Kreissegments dargestellt. Kempf hat eine Eingangstüre gefunden und einen minimal betretbaren Raum geschaffen, der eigentlich nicht genutzt werden kann und die dreidimensionale Umsetzung des Kreissegments widerspiegelt. Der geschaffene Raum verweigert sich gleichzeitig dem Besucher, denn die Türe ist nicht einfach zu öffnen und kann nach dem Betreten nicht geschlossen werden.
Die Glasarbeit von Sam Graf bricht durch ihre Spiegelungen die Wahrnehmung des Raumes. Durch eine minimale Geste bei der Wahl des Materials und der Position, untersucht er dabei die Grenzen des kreativen Aktes. Trotzdem haben die Gläser eine starke Wirksamkeit und Beeinflussen durch optische Effekte den Blick des Betrachters.