Simone Holliger und Patric Sandri
kuratiert von Patricia Bianchi
21. – 27. Januar 2016
Lokal-int., Biel/Bienne
Seit der Moderne wurde immer wieder das Ende der Malerei proklamiert. Es ist der Diskurs einer inzwischen historischen europäischen Avantgarde Anfang des 20. Jahrhunderts, der seit der Postmoderne immer wieder aufkam. Allerdings kündigt sich in jüngerer Zeit ein neuartiges Interesse an der widersprüchlichen Tradition und den Möglichkeiten des Mediums an. In Wirklichkeit hat die Malerei statt einer Totsagung einen Boom hinter sich. Die Ausstellung Through Painting möchte eines sehr deutlich zeigen: dass die Malerei dort am wenigsten tot ist, wo sie versucht über ihre Grenzen hinauszugehen.
Through Painting zeigt neue Arbeiten von Simone Holliger (*1986 Aarau, lebt und arbeitet in Genf) und Patric Sandri (*1979 Uster, lebt und arbeitet in Zürich), die sich intensiv mit der Praxis der zeitgenössischen Malerei auseinandersetzen. Die Ausstellung geht von einem gemeinsamen Grundverständnis von Malerei aus, nachdem der Entstehungsprozess der Werke als ein durchweg konzeptueller Vorgang zu begreifen ist, der auch formale und inhaltliche Synergien zwischen den Arbeiten entstehen lässt. Beiden Künstlern ist gemeinsam, dass sie die Definition und die Merkmale des Mediums kontinuierlich in Frage stellen und die Möglichkeiten, Grenzen, Bedingungen und Erneuerungen der Grundelemente sowie deren Wahrnehmung im Raum stets neu überdenken. Während Holliger bewusst versucht die Grenzen zwischen Skulptur, Malerei, Assemblage und Zeichnung zu verwischen und dabei nach einer hybriden Ausdrucksform sucht, sind die nichtfigurativen Bildideen und Kompositionen bei Sandri beeinflusst von dem Spiel mit der Illusion, Täuschung und visueller Irritation.
Die im lokal-int. präsentierten Arbeiten von Simone Holliger untersuchen auf verschiedene Weise das Zusammenspiel von Linie und Fläche. Dabei bewegen sich die Werke zwischen fragiler Papierzeichnung und dreidimensionalen Objekt. Die Zeichnungen verwandeln sich somit in sperrige voluminöse Elemente, die zwischen Fläche und Raum balancieren und freistehend oder angelehnt platziert werden. Die Bildfläche wird gleichzeitig zur Platte, welche sich in die Architektur des Ausstellungsortes einpasst. Darin erscheint das grundsätzliche künstlerische Interesse von Holliger sehr deutlich, denn bei ihren Arbeitsprozessen wird das Papier nicht mehr nur als Träger, sondern auch als Baumaterial genutzt. Speziell untersucht die Künstlerin dabei verschiedene visuelle Erscheinungen, welche ein und dasselbe Material je nach Behandlung annehmen kann. Sie interessiert sich aus einem formgebenden Material eine facettenreichen heterogene Formenwelt von Gegensätzen zu schaffen, die von Fragilität wie Stabilität sowie Verletzlichkeit und Robustheit geprägt sein soll.
Auch Patric Sandri thematisiert in Through Painting eine From des Widerspruchs in der Wahrnehmungsauffassung. Sandri arbeitet dazu mit Keilrahmen, die er mit transparenten Stoffen überzieht. Freistehend werden die flachen Rahmen im Raum platziert. Durch die Transparenz des Stoffes, der Reflexion, der Oberflächen und der Positionierung nimmt das Bild einen skulpturalen Charakter an, bleibt dabei aber dennoch Malerei. Alle Komponenten der Malerei werden offengelegt (Keilrahmen, Leinwand, Farbe). Vorder- und Rückseite werden gleichermassen zum Bildinhalt. Der Künstler hinterfragt die Rolle und die Funktion des Bildes, deren Bedeutung sich oft erst durch den Akt des Betrachtens erschliessen. Für Sandri ist dies ein wichtiger Aspekt in seinen Arbeiten, denn er untersucht das Medium der Malerei anhand seiner Wahrnehmung. Dies zeigt sich auch in den spiegelnden weiss grundierten Leinwänden. Je nachdem, wie man sich als Betrachter zum Kunstobjekt bewegt, kann dies durch das Licht, die Umgebung, des Standorts eine neue Wahrnehmung auslösen.
Ausstellungsansichten
Through Painting
Lokal-int., Biel/Bienne
All works and photos are courtesy of the artists, the curator and Lokal-int.
Zurich, Bienne, Geneva, 2016